Im Schleudergang zu mehr Nachhaltigkeit

MPI Team gelingt mechanochemische Herstellung von Ibuprofen-Co-Kristallen im Kilogramm-Maßstab mit Trommelmühlen-Technik

26. Januar 2025

Ibuprofen zählt zu den weltweit am häufigsten verwendeten Schmerzmitteln, das nicht nur zur Linderung von Schmerzen, sondern auch zur Reduzierung von Entzündungen und Fieber eingesetzt wird. Seine enorme Bedeutung zeigt sich an hohen Verkaufszahlen und darin, dass Ibuprofen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen wurde. Angesichts der Vielseitigkeit und der hohen Nachfrage nach Ibuprofen und seinen verschiedenen Formulierungen ist die effiziente und nachhaltige Herstellung des Wirkstoffs und seiner Derivate ein zentraler Aspekt für Industrie und Forschung. Ein Team aus der Arbeitsgruppe Felderhoff des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung (MPI) hat nun einen signifikanten Fortschritt in Richtung einer umweltfreundlichen Herstellung von Ibuprofen-Co-Kristallen erzielt, indem es eine Trommelmühle einsetzte. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift RSC Mechanochemistry.
 

Arzneimittel sind Stoffgemische, die neben dem Wirkstoff (API) aus weiteren Substanzen bestehen, welche die Eigenschaften des Pharmazeutikums in Bezug auf seine Wirksamkeit, Produktion und Anwendung prägen. Der Wirkstoff Ibuprofen beispielsweise ist hitzeempfindlich und schlecht wasserlöslich, was zu Problemen bei seiner Aufnahme durch den Körper führt. Um die Wasserlöslichkeit und damit die Wirkung zu verbessern, wird Ibuprofen mit einem Partnerstoff wie Nicotinamid zu einem sogenannten Co-Kristall verbunden, der die gewünschten Eigenschaften mitbringt. Die Arbeitsgruppe von Dr. Michael Felderhoff hat nun eine neue mechanochemische Methode vorgestellt, mit der der Ibuprofen-Co-Kristall rac-Ibuprofen:Nicotamid effizient, nachhaltig und im großen Maßstab hergestellt werden kann. Die von Dr. Jan-Hendrik Schöbel geleitete Studie ist Teil des Projektes IMPACTIVE und nutzte für die Untersuchung eine industrielle Trommelmühle.

Jan-Hendrik Schöbel erzählt: „Die Möglichkeiten der Herstellung von rac-Ibuprofen:Nicotinamid in sogenannten Exzenter-Schwingmühlen waren uns bekannt und Ausgangspunkt unserer Forschungen. Wir wollten eine weitere Skalierung testen und herausfinden, ob der Co-Kristall in Trommelmühlen in einer größeren Menge effizient hergestellt werden kann. Trommelmühlen haben eine deutlich höhere Kapazität und eine bessere Energieeffizienz. Außerdem sind sie in vielen Industriebetrieben ohnehin vorhanden und werden bisher nur nicht für die Herstellung von Co-Kristallen und anderen Pharmazeutika genutzt.“, so Schöbel.

Das Prinzip Trommelmühle: eine Art Waschmaschine, die im richtigen Gang beeindruckende Ergebnisse erzielte

Trommelmühlen werden in der Industrie zur Aufbereitung von Granulaten und Pulvern für die Vermahlung eingesetzt. Ihr Wirkungsprinzip ähnelt dem einer Waschmaschine, nur, dass statt Wasser Stahlkugeln und statt schmutziger Wäsche Trockenmasse bewegt werden.

Bei dem jetzt von den Forschenden vorgestellten Verfahren erwies sich die Methode des Liquid-Assisted-Grinding (LAG) als besonders erfolgreich. Dabei wurden Ibuprofen und Nicotinamid mit einer geringen Menge an Lösungsmitteln unter der Zugabe von Edelstahlkugeln gemahlen. Mit den richtigen Parametern konnte der Co-Kristall nach nur 90 Minuten mit einer Ausbeute von 99 % synthetisiert werden - eine deutlich schnellere und ressourcenschonendere Methode als die traditionelle Synthese mit Lösemitteln. Auch die Qualität des Endproduktes überzeugte durch eine hohe Reinheit und Stabilität. Metallbelastungen aus dem Mahlprozess waren minimal und lagen unter den gesetzlichen Grenzwerten für die Einnahme des Wirkstoffes. Zudem konnten mehr als 3 kg von dem Co-Kristall hergestellt werden.

„Wir sind der Meinung, dass die Trommelmühlen-Technik großes Potenzial hat. Sie könnte die industrielle Herstellung von Co-Kristallen und anderen Arzneimitteln beschleunigen und umweltfreundlicher gestalten. “, meint Jan-Hendrik Schöbel. Die Studie habe den Erfolg im Kilogramm-Maßstab demonstiert und nun bestehe die Möglichkeit, das mechanochemische Mahlen in der Trommelmühle für weitere Wirkstoffsynthesen zu evaluieren.

Über Impactive
Die Arbeitsgruppe von Dr. Michael Felderhoff ist seit 2022 an dem europäischen Großforschungsprojekt Impactive (Innovative Mechanochemical Processes to synthesise green ACTIVE pharmaceutical ingredients) beteiligt, das sich mit der Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen durch mechanochemische Verfahren beschäftigt. Die Mechanochemie gilt als umweltfreundliches und wirtschaftliches Verfahren, da die Prozesse weitgehend ohne Lösungsmittel auskommen, energieeffizient und kostengünstig sind. Im aktuellen Projektzeitraum geht es konkret darum, mechanochemische Verfahren in den großtechnischen Maßstab zu übertragen.

Link zur Publikation: Jan-Hendrik Schöbel et al, Mechanochemical kilogram-scale synthesis of rac-ibuprofen:nicotinamide co-crystals using a drum mill, RSC Mechanochemistry (2024). DOI: 10.1039/D4MR00096J

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